Karsten’s Reisen, Teil II:
GOLDRAUSCH und GALOPPIERENDE GÄNSE
Ein Besuch beim Colorado Railroad Museum
In derselben Woche, in der ich die Bahnlinie von Durango nach Silverton besuchte – siehe Karsten’s Reisen Teil I -, schaute ich zuvor beim Colorado Railroad Museum (CRRM) in Golden, Colorado, vorbei. Die Stadt Golden liegt nur ein paar Meilen westlich von Denver und ist von dort aus mit dem Auto in weniger als einer halben Stunde zu erreichen.
Golden wurde 1859 gegründet, nachdem in den nahe gelegenen Bergen Gold gefunden wurde. Tausende Goldgräber zogen durch das Tal und in die Berge auf der Suche nach dem Edelmetall. In den nördlichen Bergen wurde auch noch Kohle gefunden. 1862 wurde Golden Hauptstadt des gerade gegründeten Territoriums Colorado, musste diese Funktion aber schon 1867 wieder an Denver abgeben. Auf einem Berg von Golden, auf dem Plateau des „Lookout Mountain“, liegt seit 1917 William F. Cody - besser bekannt als Buffalo Bill - begraben.
Golden war wichtigste Versorgungsbasis für die Minen und Goldgräber in den Bergen. Orte wie Black Hawk, Central City, Silver Plume, Idaho Springs, Dumont, Empire, Georgetown und viele andere Städtchen waren von ihr abhängig. Zunächst wurden die Waren und Materialien mit Kutschen befördert, doch 1865 wurde in Golden die erste Eisenbahn Colorados, die Colorado Central and Pacific Railroad gegründet. Ende 1870 verkehrte endlich der erste Zug. Schon bald fuhren um die 30 Züge täglich den Güterbahnhof von Golden an. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Hauptsitz der Eisenbahngesellschaft nach Denver verlegt und so verlor Golden den Status eines Eisenbahnzentrums.
In Golden lebte zu der Zeit auch ein Gold- und Geldmakler namens George Pullman. Er ließ die berühmten Pullman-Schlafwagen bauen, die erstmals Schlafkojen, welche denen in den Unterkünften der Minenarbeiter ähnelten, in Eisenbahnwaggons einführten.
Das Colorado Railroad Museum ist eins der größten Eisenbahn-Museen der USA und gleichzeitig auch das wohl bedeutendste Museum für die vergangene Geschichte der Schmalspurbahnen in USA, da Colorado nun mal Heimat der größten US-Schmalspurnetze war. Für die Versorgung der Minen und Städte in den Rocky Mountains wurden zahlreiche Schmalspurlinien erbaut, welche engere Gleisradien und eine bessere Anpassung an das unwegsame Gelände erlaubten.
Naturgemäß stellt die Geschichte der ehemaligen Denver & Rio Grande Western Railroad (D&RGW) den Schwerpunkt des Museums dar, von den einstigen Schmalspurlinien der C&S, RGS, RGW, D&RGW über das Regelspurnetz der D&RGW bis zum Zusammenschluss 1988 mit der Southern Pacific (SP) und der Übernahme der SP durch die Union Pacific (UP) 1995. Seitdem ist der klangvolle und traditionsreiche Name „Rio Grande“ auf keinem Schienenfahrzeug im Planeinsatz mehr zu sehen.
Über 70 im Freigelände ausgestellte originale Loks und Wagen aus verschiedenen Epochen erinnern an die Entwicklung der Eisenbahnen im Land und zeigen doch nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt der Züge, die einstmals auf den diversen Strecken durch Colorado fuhren. Die Bandbreite der ausgestellten Loks reicht dabei von der kleinen zweiachsigen Satteltanklok über einen „Tenwheeler“ bis zur gewaltigen 4-8-4 Schnellzug-Dampflok, von der Zahnrad-Dampflok der Manitou & Pike’s Peak Railway bis zur F9 A/B Diesellok-Doppeleinheit der D&RGW, die in den 60er Jahren den berühmten Schnellzug „California Zephyr“ zog.
Bei den Personenwagen reichen die Varianten von Holzwagen mit Oberlichtern aus dem Ende des 19. Jahrunderts über Stahlwagen der 20er Jahre bis zu den silberfarbenen Stromlinienwagen der 40er Jahre. Auch eingerichtete Postwagen aus verschiedenen Jahrzehnten sind dabei. Daneben sind diverse Güterwagen ausgestellt, natürlich auch einige der typischen „Caboose“ genannten Zugbegleiterwagen, die auch von innen besichtigt werden können. Interessant ist auch der direkte Größenvergleich zwischen einem schmalspurigen Boxcar und seinem Pendant in Regelspur, siehe Bild.
Eine ganz besondere Gruppe von Fahrzeugen stellt die Sammlung von erhalten gebliebenen Schienen-LKWs der einstigen Rio Grande Southern Linie dar. Diese Fahrzeuge sind unter Eisenbahnfans weltweit bekannt geworden unter dem Namen „Galopping Goose“. Die RGS baute zwischen 1931 und 1936 aus Stahlblechen und Autoteilen sieben dieser Fahrzeuge (plus einem achten für die San Christobal Railroad), um die Betriebs- und Personalkosten zu senken.
Jedes Exemplar war ein Einzelstück und alle unterschieden sich recht deutlich voneinander, denn man verbaute einfach Teile, die gerade zur Verfügung standen, und so wie sie am besten zusammenpassten. Für den Nachbau im Modell ist das Museum schon oft nach technischen Zeichnungen der Fahrzeuge gefragt worden, doch es haben niemals welche existiert! Sechs der acht Fahrzeuge sind bis heute erhalten geblieben, das Museum besitzt drei davon: Die Gooses No. 2, 6 und 7. Alle drei sind übrigens denkmalgeschützt und einzeln aufgeführt im National Register of Historic Places!
Das Museum beherbergt auch die Anlagen von zwei Modellbahnvereinen. Im Keller des Hauptgebäudes steht eine große H0-Anlage des Denver H0 Club, hinter dem Gebäude hat die Denver Garden Railway Society eine Spur G Gartenbahn gestaltet. Der Begriff „Garten“bahn will jedoch mir als Europäer in einer Landschaft nur aus Felsen, Steinen und Sand ohne Pflanzen irgendwie nicht so recht passen.
Das Museum kann man auch im Internet besuchen: hier klicken
Der Bericht erschien auch in der Volldampf, Nr. 4 / 2004. |