Karsten’s Reisen, Teil III:
„PENNSYLVANIA 6-5000“
Ein Besuch des Eisenbahnmuseums von Pennsylvania
„Pennsylvania 6-5000“: Der Titel des Glenn-Miller-Hits soll andeuten, wohin mich dieses Jahr eine Reise in die USA führte, und zwar wiederum in der recht ungünstigen Jahreszeit Anfang März – siehe auch Karsten’s Reisen Teil I. Doch auch dieses Mal fand ich eine weitere Museumsbahn, die regelmäßig schon am 1. März ihren Fahrbetrieb wieder aufnimmt, sowie ein großes Eisenbahnmuseum. Erstere soll Gegenstand eines folgenden Berichts (Teil IV) dieser Reihe sein.
Aus anderen Gründen legte ich diesmal einen Zwischenstopp in New York ein. Unweit daneben in westlicher Richtung liegt der Bundesstaat Pennsylvania, der historisch ganz besonders mit der Eisenbahn verbunden ist. Die zentrale Lage Pennsylvanias, seine reichen Bodenschätze und seine wirtschaftliche Bedeutung führten zu einem dichten Netz von Eisenbahnstrecken mit einem hohen Verkehrsaufkommen. Die in den Bergen gewonnene Kohle - das besonders geschätzte Anthrazit – wurde abgefahren, die Stahlindustrie wurde mit Erzen von den Häfen der Ostküste beliefert, Holz wurde zu den Sägewerken gefahren, Getreide und landwirtschaftliche Güter wurden von den großen Farmen verschickt und viele Durchgangszüge passierten Pennsylvania auf ihrer Fahrt von den östlichen Häfen ins Landesinnere.
Die erste Bahnlinie in Pennsylvania nahm 1832 den Verkehr auf, der viele weitere kleine Linien folgten. 1846 wurde die Pennsylvania Railroad gegründet, welche zu einer der bedeutendsten amerikanischen Eisenbahnlinien heranwachsen sollte. Ihr Netz wuchs durch die Übernahme von mehr als 600 kleinerer Bahnlinien und erstreckte sich von Philadelphia, der Hauptstadt Pennsylvania’s, nach New York, Washington, Chicago und St. Louis. Neben der Pennsylvania Railroad fuhren noch weitere der großen Gesellschaften in und durch Pennsylvania, z.B. die Baltimore & Ohio, die Reading Company, die Bessemer and Lake Erie, die Lehigh Valley, Norfolk and Western und auch der große Erzrivale, die New York Central. Von den Hauptlinien zweigten viele kleine regionale Linien ab.
Städte wie Philadelphia, Reading, Pittsburgh, Scranton und Harrisburg wurden zu wichtigen Eisenbahnverkehrsknotenpunkten, die Eisenbahn wurde zu einem der wichtigsten Arbeitgeber in der Region. In den Lokwerkstätten von Altoona baute die Pennsylvania Railroad hunderte ihrer eigenen Lokomotiven und in Philadelphia gründete 1831 Matthias William Baldwin das Unternehmen „Baldwin Locomotive Works“, welches zum größten Dampflokhersteller der Welt aufsteigen sollte.
Neben dem Gütertransport gab es auch von jeher einen erheblichen Reiseverkehr auf den Schienen Pennsylvanias. Stellvertretend für die klangvollen Namen hochwertiger Reisezüge in vergangenen Zeiten sei der berühmte Broadway Limited erwähnt, der auf seiner Fahrt von Chicago nach New York auch Pennsylvania durchquerte. Im Südosten des Staates führt der „Nord-Ost-Korridor“ von Washington über Baltimore und Philadelphia nach New York mit Weiterführung nach Boston. Auf dieser Strecke, die heute zu Amtrak gehört, hat sich bis heute ein sehr dichter Personenverkehr gehalten, was an sich ja schon bemerkenswert in den USA ist. Doch es gibt noch zwei weitere erwähnenswerte Besonderheiten dieser Strecke: Erstens ist sie elektrifiziert und zweitens fahren dort die einzigen Hochgeschwindigkeitstriebzüge der USA!
Die in Frankreich konstruierten Triebzüge erinnern an den TGV und verfügen zusätzlich über eine Neigetechnik, welche ein höheres Tempo in Kurven erlaubt. Da jedoch keine neue Strecke gebaut wurde sondern die vorhandene überarbeitet wurde, kann der Zug nur auf einem kleinen Stück von 29 km Länge seine Höchstgeschwindigkeit von ca. 250 km/h ausfahren. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Acela Express liegt daher unter 170 km/h. Die Fahrt von New York nach Philadelphia dauert nur 70 Minuten, Washington wird von New York aus in 2:47 Stunden erreicht. Damit ist die Bahn auf dieser Strecke interessanter als die entsprechende Flugverbindung.
Die Elektrifizierung des Nord-Ost-Korridors erfolgte übrigens schon 1935! Damals wurden die mächtigen Elektrolokomotiven des Typs GG1 auf dieser Strecke eingesetzt. Mit der Elektrifizierung ihrer wichtigsten Strecken hob sich die Pennsylvania Railroad deutlich von den anderen großen US-Eisenbahngesellschaften ab. Auch in vielen anderen Punkten war die PRR federführend, so war z.B. die oben erwähnte Eigenproduktion von Dampfloks in den eigenen Werkstätten einzigartig. Auch ersetzte die PRR als erste die alten Holzpersonenwagen gegen sicherere Stahlkonstruktionen und führte frühzeitig Standardlackierungen ein. Mit diesen bahnbrechenden Vorstössen unterstrich die PRR ihren eigenen Anspruch die „Standard Railroad of the World“ zu sein.
Nicht nur die Geschichte der Pennsylvania Railroad im besonderen sondern auch die Geschichte der Eisenbahn in Pennsylvania allgemein, der Gesellschaften, Lokhersteller und Eisenbahnarbeiter, wird im Railroad Museum Of Pennsylvania gezeigt, in Strasburg, PA, etwa eineinhalb Autostunden von Philadelphia entfernt.
Das Museum besteht im wesentlichen aus einer riesigen, sehr sauberen und aufgeräumten Fahrzeughalle, in der etliche Lokomotiven und Wagen sowie weitere Ausstellungsstücke wettergeschützt gezeigt werden. Die Präsentation ist vorbildlich, die ganze Halle stellt thematisch eine Bahnhofshalle dar. Auf den Gleisen sind Loks und Wagen thematisch angeordnet und teilweise zu kurzen Zügen zusammengestellt. Zwischen den Gleisen befinden sich die „Bahnsteige“ - großzügig breite Wege, auf welchen auch zeitgenössische Accessoires wie Gepäckwagen, Bahn-Uniformen und ähnliches gezeigt werden. In der Mitte der Halle verläuft eine Fußgängerbrücke quer über die Gleise, von der man einen schönen Überblick über die Ausstellung hat.
An einer Seite der Halle befindet sich die Nachbildung eines typischen Bahnhofsgebäudes einer Kleinstadt zu Beginn des letzten Jahrhunderts bzw. eigentlich nur dessen Fassade, denn es ist wie ein Halbreliefmodell im Maßstab 1:1 gestaltet. Im Inneren baut der örtliche Modellbahnclub mehrere Anlagen unterschiedlicher Spurweiten. Eine große H0-Anlage ist im Bau, eine Spur G-Anlage ist fertig und unter der Decke kreisen Spur G- und Spur 0-Züge. In mehreren Vitrinen an der Wand werden diverse Modelle verschiedener Maßstäbe gezeigt. Im Stockwerk darüber zeigt eine Ausstellung Bilder und Dokumente der Eisenbahn in Pennsylvania. Außerdem befindet sich natürlich noch ein umfangreicher Museumsshop im Gebäude.
Zu dieser über 9.000 m² großen umbauten Ausstellungsfläche kommt noch ein großzügiges Freigelände mit Drehscheibe und vielen Gleisen, auf denen weitere Lokomotiven und Wagen, teils in Aufarbeitung befindlich, gezeigt werden. Wegen der Anfang März dieses Jahres noch herrschenden Kälte und der damit verbundenen Glatteisgefahr war das Freigelände jedoch bei meinem Besuch geschlossen. Auch die Halle war mangels Heizung recht kühl.
Unter den ausgestellten Lokomotiven befinden sich neben der bereits erwähnten GG1 sowie weiteren Elektroloks, einigen Dieselloks (GP-9, GP-30, die einzige(!) erhaltene E7, u.a.) und vielen Dampfloks auch eine funktionsfähige Replik einer der ersten Dampfloks für den öffentlichen Personenverkehr in USA überhaupt. Die „John Bull“ genannte Maschine wurde 1931 aus England von der Robert Stephenson and Company geliefert - genau wie auch vier Jahre später der „Adler“ für die erste deutsche Eisenbahnlinie. „John Bull“ bezeichnete übrigens damals in Cartoons die Briten, so wie „Uncle Sam“ die Amerikaner symbolisierte. Das ungewöhnliche Vorlaufrad, welches die Lok besser in Kurven hineinführt und Entgleisungen vorbeugt, wurde erst in Amerika hinzugefügt, genauso wie die große vordere Lampe, die Glocke und die Dampfpfeife. Die originale „John Bull“ fuhr bis 1866 zwischen Philadelphia und New York und steht heute im Smithsonian Institut in Washington, DC. Sie wurde zuletzt zum 150jährigen Jubiläum 1981 in Betrieb genommen. Die hier ausgestellte Replik wurde für die Weltausstellung in New York 1940 gebaut – wiederum eine Parallele zu unserer Replik des „Adlers“, die für das 100jährige Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland gebaut wurde.
Desweiteren soll eine kleine Tenderlok erwähnt werden, welche im 19. Jahrhundert von Baldwin in Philadelphia für die Hawaiianischen Zuckerrohrplantagen gebaut wurde: Die Waimanolo Sugar Co. No. 2 mit dem Namen „Olomana“ – Vorbild des gleichnamigen LGB-Modells. Drei nebeneinander aufgestellte Waldbahnloks der Bauarten Shay, Climax und Heisler – Vorbilder der Bachmann-Modelle - erlauben den direkten Vergleich dieser Loktypen.
Das Museum feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Jedem, der in seine Nähe kommt, sei ein Besuch empfohlen, alle anderen können es auch virtuell im Internet besuchen: hier klicken.
Der Bericht erschien auch in der Volldampf, Nr. 2 / 2005. |