Karsten’s Reisen, Teil V:
Jenbach, Gleis 1 – Die Achenseebahn
Erster Teil der Beobachtungen auf einem besonderen Bahnhof
Da ich derzeit beruflich in München weile, fasste ich den Plan, an einem Nachmittag den Versuch zu wagen, trotz Feierabendverkehrs in kurzer Zeit die rund 150 km zum Bahnhof Jenbach in Tirol zurückzulegen. Mit Beginn der Schulferien in Bayern und dem damit erwartungsgemäß verringerten Verkehrsaufkommen zur Rushhour auf den Straßen um München rückte die Machbarkeit dieses verwegenen Planes in greifbare Nähe.
Aber warum gerade der Bahnhof Jenbach? Jenbach liegt im unteren Inntal 36 km östlich von Innsbruck zwischen den Ausläufern des Karwendelgebirges und dem Rofangebirge, südlich des Achensees. Jenbach ist bedeutende Station der sogenannten Westbahn, einer stark frequentierten Hauptstrecke der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), die von Wien westwärts über Linz nach Salzburg und weiter über Innsbruck nach Bregenz führt. Neben den diversen Regionalzügen halten hier auch alle Schnellzüge, ICs bzw. ECs. Desweiteren fahren viele schwere Güterzüge durch Jenbach.
Besondere Bedeutung für Eisenbahnfans erlangt der Bahnhof Jenbach jedoch dadurch, dass zusätzlich hier gleich zwei, recht unterschiedliche, private Schmalspurbahnen ihren Ausgangs- und Betriebsmittelpunkt haben. Auf der Nordseite, gleich beim Empfangsgebäude am Gleis 1, beginnt die Achenseebahn, auf der Südseite des Bahnhofs hat die bekannte Zillertalbahn ihren Ausgangspunkt. So treffen im Bahnhof Jenbach gleich drei verschiedene Spurweiten aufeinander: 1435 mm Regelspur der ÖBB, 1000 mm Meterspur der Achenseebahn und 760 mm Engspur der Zillertalbahn. Durch die klare räumliche Trennung der drei Bahnen gibt es aber leider keine Kreuzungen der unterschiedlichen Spurweiten, Dreischienengleise oder ähnliches, was den Eisenbahnfan, namentlich den Autor, noch mehr begeistert hätte.
Durch einen ausnahmsweise frühen Feierabend gelang Anfang August die Umsetzung des Plans, und so traf ich an einem Donnerstag abend nach nur knapp eineinhalb Stunden Fahrt tatsächlich rechtzeitig um kurz vor sechs am Bahnhof Jenbach ein. Ich wusste, laut Fahrplan sollte um 18:15 Uhr der letzte Zug des Tages der Achenseebahn eintreffen und um 18:50 Uhr der Nachmittags-Dampfzug der Zillertalbahn.
Flugs zum Bahnsteig 1 gegangen, von dessen Ende man einen guten Blick auf Lok- und Wagenschuppen der Achenseebahn hat. Direkt neben dem Schuppen beginnt bereits die Steilstrecke, welche gleich hinter der Remise in einem Bogen nach Norden führt und aus dem Sichtfeld entschwindet. Von hier aus bis zum Scheitelpunkt in Eben ist die Strecke mit einer Leiterzahnstange nach System Riggenbach ausgestattet, da auf diesem Abschnitt eine maximale Steigung von 160 Promille überwunden werden muß. Von Eben geht es dann ohne Zahnstange wieder abwärts bis zur Endstation Seespitz am südlichen Ufer des Achensees. Die Achenseebahn wurde 1889 eröffnet und alle Züge werden heute noch fahrplanmäßig mit Dampf bespannt. Sie ist die älteste noch in Betrieb stehende Dampfzahnradbahn Europas.
Es ist 18:14 Uhr - im Hintergrund höre ich bereits die Lokpfeife und mache meine Kamera schussbereit. Schon kommt Lok 3 mit einem Personenwagen unter großer Dampfentwicklung den Hang hinunter. Wie bei Zahnradbahnen üblich ist die Lok immer mit der Rauchkammer zum Wagen gekuppelt und bleibt stets – bergauf gesehen – hinter dem Wagen, d.h. sie schiebt den Wagen nach Seespitz und führt ihn nun mit dem Führerhaus voran wieder herunter.
Nach kurzem Halt am Bahnsteig um die Fahrgäste aussteigen zu lassen, legt der Rangierer eine Weiche um und löst schon mal die Kupplung zwischen Lok und Wagen. Nun öffnet der Lokführer kurz aber kräftig den Regler, so dass die Fuhre auf Geschwindigkeit kommt. Sofort schließt er den Regler wieder und bremst die Lok ab. Der Wagen jedoch, losgelöst von seiner Verbindung zur Lok, rollt selbständig viele Meter weiter zur Wagenremise, durch das geöffnete Tor und bis zu seinem Abstellplatz im Schuppen, wo er vom Personal abgebremst wird.
Die Lok ist derweil am Wagenschuppen vorbei gefahren zur Schiebebühne, mit welcher sie zu ihrem Stand im dahinter liegenden Lokschuppen gebracht wird. Nach ein paar Minuten ist alles verstaut und das Personal hat Feierabend.
Doch heute abend wird mir noch mehr geboten, denn nun kehrt unter nicht minder starker Dampfabgabe noch ein zweiter Zug in den Bahnhof ein. Lok 1 hat zwei Personenwagen am Haken. Wieder wird die Kupplung von der Lok zu den Wagen gelöst und das gleiche Spiel wiederholt sich: Nach kurzer Beschleunigung rollen die beiden Wagen selbständig in einen weiteren Stand des Wagenschuppens und die Lok wird im Lokschuppen verstaut. Nach ein paar Minuten ist das Schauspiel vorbei und die Nachtruhe beginnt auf diesem Teil des Jenbacher Bahnhofs.
Die Achenseebahn kann man auch im Internet besuchen: hier klicken
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